Beschluss des SPD-Parteivorstands vom 14.12.2009

Der für den 16.12. geplante sogenannte „Bildungsgipfel“ ist eine Täuschung der
Öffentlichkeit, denn sowohl das „Wachstumsbeschleunigungsgesetz“ als auch ab
2011 geplante Senkungen der Einkommenssteuer gefährden den Bildungs- und
Wissenschaftsstandort Deutschland. Ohne einen echten finanziellen Ausgleich für
die steuerliche Belastung der Länder und der Kommunen wäre der „Bildungsgipfel“
eine Mogelpackung.

1. Bildung und Wissenschaft sind unter gesellschaftspolitischen wie ökonomischen Aspekten gleichermaßen von zentraler Bedeutung für die Zukunftsgestaltung.

Bildung ermöglicht Teilhabe, fördert Integration und sichert den Fachkräftebedarf der Zukunft. Wissenschaft ermöglicht Innovation und leistet durch neue Erkenntnisse, Verfahren und Produkte einen unverzichtbaren Beitrag zur Lösung globaler Fragen und einer nachhaltigen
Entwicklung. Gerade auch in Zeiten einer Finanz- und Wirtschaftskrise muss die Weiterentwicklung des Bildungs- und Wissenschaftssystems mit Nachdruck weiterverfolgt werden, um die Voraussetzungen für ein erfolgreiches Wirtschaften dauerhaft zu sichern.

2. Die SPD bekennt sich eindeutig zur Notwendigkeit einer weiteren deutlichen Steigerung der Bildungs- und Wissenschaftsausgaben

Das von ihr forcierte 10 %-Ziel (am BIP) bis zum Jahr 2015 hat nach wie vor Gültigkeit und erlaubt auch in Zeiten einer negativen bzw. gedämpften Entwicklung des BIP kein Nachlassen in den Anstrengungen.

3. Die SPD hat im Bund und in den Ländern durchgesetzt, dass Bildung auf der Tagesordnung ganz oben steht.

Sie hat den Rechtsanspruch auf einen KiTa - Platz, den Ausbau der Ganztagsschulen, den Rechtsanspruch auf einen nachholenden Schulabschluss und die Exzellenz-Initiative sowie den Hochschulpakt 2020 mit dem Schwerpunkt Lehre an den Hochschulen durchgesetzt. Sie ist stolz darauf, dass die Mittel aus dem Konjunkturprogramm II zu 65 % für Bildungsinvestitionen verwendet werden müssen.

4. An der großen Kraftanstrengung für Bildung und Wissenschaft müssen sich alle politischen Ebenen – Bund, Länder und Kommunen – beteiligen

Auch die Wirtschaft und Private leisten einen Beitrag. Dies geschieht einerseits durch die Priorisierung von Ausgaben für Bildung und Wissenschaft in den öffentlichen Haushalten. Andererseits reicht dies bei Weitem nicht aus, um
rückläufige Steuereinnahmen zu kompensieren oder gar weitere
Steuersenkungen aufzufangen. Ein glaub haftes Bekenntnis zu steigenden Ausgaben für Bildung und Wissenschaft erfordert eine ebenso glaubhafte Sicherung der Einnahmen der öffentlichen Haushalte. Weitere Steuersenkungen in dieser Situation gefährden den Bildungs- und Wissenschaftsstandort Deutschland.

5. Das Gros der Bildungsausgaben wird von den Ländern geschultert

(Länder 50 %, Bund 10 %, Kommunen 16 %, Private/Wirtschaft 24 %). Der Bund muss sich stärker an den zusätzlichen Bildungsausgaben beteiligen und seinen Beitrag hierzu auf 10 Mrd. Euro pro Jahr steigern. Dies kann aber nur Wirkung entfalten, wenn gleichzeitig die Einnahmen für Länder und Kommunen gesichert werden. Eine zwischen Bund und Ländern abgestimmte Strategie zur nachhaltigen Stärkung des Bildungs- und
Wissenschaftsstandortes Deutschland bedarf also der gemeinsamen Sicherung der Einnahmesituation der öffentlichen Haushalte und der konsequenten Priorisierung der öffentlichen Ausgaben zugunsten dieses Bereichs.

6. Die inhaltlichen Herausforderungen sind groß.

Die SPD will:

- Frühe Bildung von Anfang an baut Bildungsbarrieren ab und leistet einen entscheidenden Beitrag zu mehr Chancengleichheit. Der von der SPD durchgesetzte Rechtsanspruch auf einen KiTa -Platz für alle 1-jährigen ab 2013 muss begleitet werden von der qualitativen Weiterentwicklung des KiTa-Bereichs (Sprachförderung, Qualifizierung der Erzieherinnen und Erzieher, personelle Ausstattung, Ausbau von Eltern-Kind-Zentren). Die von einzelnen Ländern und Kommunen schrittweise eingeführte Beitragsfreiheit muss bundesweit Standard werden. Hieran soll sich der Bund auch im Hinblick auf die Familienförderung nachhaltig beteiligen.

- Die individuelle Förderung aller Schülerinnen und Schüler, die deutliche Reduzierung der Schulabbrecherquoten, die garantierte Durchlässigkeit und Aufstiegsorientierung des Schulsystems sowie die bessere bundesweite Vergleichbarkeit von Bildungsergebnissen stellen Schulen und Bildungspolitik vor große Herausforderungen. Die bundesweite Ganztagsschulinitiative hat hier wichtige Zeichen gesetzt. Die SPD erneuert ihren Vorschlag, beim Bildungsgipfel ein klares Signal an alle Schulen zu senden: Eine Schulsozialarbeiterstelle für jede Schule – hälftig von Bund und Ländern finanziert – würde auch anerkennen, dass sich der Bildungs- und Erziehungsauftrag heute unter veränderten Rahmenbedingungen vollzieht.

- Ein guter Übergang von der Schule in die Berufsausbildung ist wesentliche Voraussetzung für den Ausbildungserfolg. Deshalb muss die in der vergangenen Legislaturperiode ausgebaute Zusammenarbeit von Schulen und Berufsagentur im Rahmen der vertieften Berufsorientierung fortgeführt und dauerhaft abgesichert werden. Ein Erwachsenen- Bildungsförderungsgesetz soll einen Beitrag dazu leisten, Qualifizierung während des Berufslebens abzusichern und vor Arbeitslosigkeit zu schützen.

- Wir wollen, dass mehr Fachkräfte ohne Abitur studieren können und daher den Zugang zu den Hochschulen für diese Personengruppe weiter öffnen.

- Die Situation an den Hochschulen ist angespannt. Die Kritik der Studierenden richtet sich einerseits gegen Fehler bei der Umsetzung des Bologna-Prozesses, nimmt aber insbesondere auch die soziale Situation der Studierenden in den Blick. Während ersteres vor allem verbindliche Vereinbarungen zwischen Hochschulen und Politisch Verantwortlichen zur Überprüfung der Studierbarkeit der Studiengänge erfordert, bedarf es bezüglich der sozialen Situation eines klaren politischen Signals gegen Studiengebühren und eines deutlichen Ausbaus des BAföGs. Die Bundesregierung ist aufgefordert, umgehend eine entsprechende Novelle mit dem Ziel der deutlichen Erweiterung des Kreises der Geförderten und der Anpassung der Bedarfssätze vorzulegen. Das von der Bundesregierung favorisierte Stipendien-Programm (Pinkwart-Vorschlag) leistet keinen Beitrag zur Verbesserung der sozialen Situation.

- Die SPD spricht sich gegen Quoten zur Begrenzung von Master-Studiengängen aus. Sie fordert statt dessen verlässliche, transparente Qualitätskriterien für den Zugang zum Masterstudium. Der Bachelor muss grundsätzlich als Qualifikation für ein Masterstudium ausreichen.

- Zur weiteren Verbesserung der Studienbedingungen und der Betreuung der Studierenden und Studiengänge fordert die SPD einen Bund-Länder-Studienpakt für gute Lehre, mit dem u.a. zusätzliches Lehrpersonal und ein Wettbewerb für gute Lehre gesichert werden sowie die soziale Infrastruktur gestärkt wird.

- Die SPD hält daran fest: Sie will die Beitragsfreiheit in den Kindertagesstätten. Sie steht für ein gebührenfreies Erststudium.

7. Der von der Bundeskanzlerin einberufene Bildungsgipfel von Dresden im Jahr 2008 hat die in ihn gesetzten Erwartungen nicht erfüllt.

Vielmehr wurden entscheidende Fragen vertagt. Das diesjährige Treffen von Bundeskanzlerin und Ministerpräsidenten muss konkrete Festlegungen zum Ergebnis haben:

- Deutschland muss seine jährlichen Bildungsausgaben deutlich steigern, um wenigstens auf den Durchschnitt der OECD-Staaten (Industrieländer) zu kommen. Nach den Berechnungen der OECD wären rund 25 Mrd. Euro zusätzlich erforderlich; nationale Berechnungen von Bund und Ländern gehen von 13 – 16 Mrd. Euro aus. Für die SPD ist dabei von entscheidender Bedeutung, dass diese zusätzlichen Mittel für tatsächliche Qualitätsverbesserungen im Bildungsbereich zur Verfügung stehen und weder durch finanzielle Belastungen der Länder in anderen Bereichen (z.B. Steuersenkungen im Wachstumsbeschleunigungsgesetz) noch durch Verechnungen z.B. mit steigenden Pensionskosten verloren gehen.

- Eindeutige Aussagen zur Steigerung der Bildungs- und Wissenschaftsausgaben auch bei vorübergehend rückläufigem BIP.

- Priorisierung der Ausgaben für Bildung und Wissenschaft in den öffentlichen Haushalten bei gleichzeitiger Sicherung der notwendigen Finanzausstattung für Länder und Kommunen. Der Bund muss sich maßgeblich an der für das Erreichen des 10 %-Ziels notwendigen Finanzierung beteiligen.