Heiligenstadt (SPD): Falsche Bildungspolitik drückt Abiturquote
Die SPD-Fraktion im Niedersächsischen Landtag sieht die am (gestrigen) Montag veröffentlichten Zahlen über die stark gesunkene Abiturquote 2008 als erneuten Beleg für eine falsche Bildungspolitik der CDU/FDP-Landesregierung an. „Die Landesregierung darf dieses Alarmsignal nicht tatenlos hinnehmen“, erklärte Frauke Heiligenstadt, schulpolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, am Dienstag in Hannover.
„Zu Beginn des neuen Jahres zeigen sich die Auswirkungen einer über Jahre verfehlten Bildungspolitik. Fachlehrermangel, ein extremes Lerntempo, schlechte Arbeitsbedingungen für Lehrkräfte, zu große Klassen, eine verfehlte Oberstufenreform und die miserable Einführung des G8 wirken sich jetzt aus“, zählte Heiligenstadt auf.
Seit der Umstellung der Gymnasien von G 9 auf G 8 habe sich zudem die Durchlässigkeit zwischen Realschulen und Gymnasien deutlich „von oben nach unten“ verändert. Betrachte man allein den 7. Schuljahrgang, habe sich der Anteil der Schülerinnen und Schüler am Gymnasium, die von einer Realschule gewechselt haben, mehr als halbiert. „Andererseits ist der Anteil der Schülerinnen und Schüler an Realschulen, die von Gymnasien kommen, von 2,2 Prozent auf 3,5 Prozent gestiegen. „Das ist ein Verstoß gegen das im Schulgesetz verankerte Prinzip der Durchlässigkeit zwischen den Schulformen“, sagte Heiligenstadt und verwies dabei auf § 59 Abs. 1 Satz 3 des Niedersächsischen Schulgesetzes.
„Wir brauchen mehr Abiturienten und nicht weniger. Das ist nicht nur ein Gebot für eine gerechte Bildungspolitik, sondern auch volkswirtschaftlich notwendig. Die Wirtschaft braucht gut qualifizierte Fachkräfte“, führte die SPD-Schulexpertin weiter aus. Das Flächenland Niedersachsen brauche eine wohnortnahe, gute gemeinsame Schule mit einem gymnasialen Angebot. „Deswegen müssen die Hürden für die Gründung von neuen Gesamtschulen abgeschafft werden“, forderte Heiligenstadt.
Anhang
Schulformwechsler 2005 bis 2008
a) „Aufsteiger“
Gymnasium (5. bis 10. Schuljahrgang)
Schuljahr 2005/06: 0,4 % der Schülerschaft kommt von der Realschule: 636 Schüler
Schuljahr 2006/07: 0,3 % 492 Schüler
Schuljahr 2007/08: 0,2 % 421 Schüler
Schuljahr 2008/09: 0,2 % 399 Schüler
Gymnasium (nur 7. Schuljahrgang)
Schuljahr 2005/06: 0,5 % der Schülerschaft kommt von der Realschule: 137 Schüler
Schuljahr 2006/07: 0,4 % 122 Schüler
Schuljahr 2007/08: 0,3 % 92 Schüler
Schuljahr 2008/09: 0,2 % 76 Schüler
b) „Absteiger“
Realschule (5. bis 10. Schuljahrgang)
Schuljahr 2005/06: 1,7 % der Schülerschaft kommt vom Gymnasium: 3.015 Schüler
Schuljahr 2006/07: 2,0 % 3.554 Schüler
Schuljahr 2007/08: 2,2 % 3.809 Schüler
Schuljahr 2008/09: 2,5 % 4.329 Schüler
Realschule (nur 7. Schuljahrgang)
Schuljahr 2005/06: 2,2 % der Schülerschaft kommt vom Gymnasium: 643 Schüler
Schuljahr 2006/07: 3,1 % 900 Schüler
Schuljahr 2007/08: 3,2 % 920 Schüler
Schuljahr 2008/09: 3,5 % 1020 Schüler
Quelle: Nds. Kultusministerium
HAZ, 06.01.2010: Viele Schüler scheitern auf Weg zum Abitur Hannover. - SPD kritisiert: Weniger Aufsteiger, mehr Absteiger – von SASKIA DÖHNER
Viele Schüler scheitern auf Weg zum Abitur Hannover. - SPD kritisiert: Weniger Aufsteiger, mehr Absteiger – von SASKIA DÖHNER
In Niedersachsen sinkt nicht nur die Zahl der Abiturienten, sondern auf dem Weg zur Abschlussprüfung scheitern an den Gymnasien immer mehr Schüler. Darauf hat SPD-Bildungsexpertin Frauke Heiligenstadt gestern hingewiesen. Die Zahl der Absteiger nehme zu, die der Aufsteiger sinke, sagte sie. Betrachte man allein den 7. Jahrgang, habe sich der Anteil der Schüler an den Gymnasien, die von einer Realschule gekommen seien, in den vergangenen vier Jahren halbiert, während im gleichen Zeitraum die Zahl der Schüler, die von einem Gymnasium auf die Realschule wechselten, von 2,2 auf 3,5 Prozent gestiegen sei. Die Durchlässigkeit zwischen den Realschulen und Gymnasien habe sich deutlich von oben nach unten verändert, kritisierte Heiligenstadt. Zu große Klassen und Oberstufenkurse, Fachlehrermangel, schlechte Arbeitsbedingungen für die Pädagogen, aber auch die Unruhe, die das verkürzte Abitur gebracht habe, zeigten schon jetzt Wirkung, obwohl erst 2011 der erste Jahrgang das Turboabitur ablegt.
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PRESSEMITTEILUNG von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Niedersächsischen Landtag NR. 2 Datum: 5. Januar 2010: GRÜNE: Hürden zum Abitur abbauen
Als "desaströses Zeugnis für die Schulpolitik der CDU/FDP-Koalition" hat die schulpolitische Sprecherin der Grünen-Landtagsfraktion, Ina Korter, die gesunkene Abiturquote in Niedersachsen bezeichnet. "Es war ein Fehler, immer neue Hürden vor dem Abitur aufzurichten und den Lernstress an den Gymnasien zu erhöhen", sagte die grüne Schulexpertin.
"Das niedersächsische Turbo-Abitur hat sich als Irrweg erwiesen", so Korter. Sie forderte, die Schule müsse mit mehr Flexibilität dem unterschiedlichen Lerntempo der Schülerinnen und Schüler gerecht werden. Die Lernbedingungen an den Gymnasien müssten deutlich verbessert werden. "Die Gymnasien müssen zu echten Ganztagsschulen ausgebaut und ihre Stoffpläne entrümpelt und modernisiert werden. Die Klassengrößen müssen wieder deutlich ge senkt werden", so die Grüne. An den Gesamtschulen müsse auch künftig das Abitur nach 13 Jahren zugelassen werden.
Als beschämend bezeichnete Korter, dass es in Niedersachsen noch immer ein starkes Stadt-Land-Gefälle bei den Schulabschlüssen gebe. "Überall in Niedersachsen muss es in erreichbarer Nähe eine Schule geben, die den Weg zum Abitur ermöglicht", forderte Korter. Gerade auf dem Lande müsse deshalb die Neugründung von Gesamtschulen erleichtert werden.