Die SPD-Fraktionsvorsitzenden im Bund und in den Ländern streben eine Veränderung des sogenannten Kooperationsverbots zwischen Bund und Ländern im Bildungsbereich an. Das ist eines der Ergebnisse der zweitägigen Sitzung der SPD-Fraktionsvorsitzenden in Hannover, die am (heutigen) Freitag zu Ende gegangen ist. „Das Kooperationsverbot verhindert erfolgreiche Bildungspolitik. Der bestehende Bildungsföderalismus führt zu Unterfinanzierung und Kleinstaaterei,auch weil dem Bund die Hände gebunden sind

Wir brauchen aber eine finanzielle und qualitative Zusammenarbeit“, sagte Thomas Oppermann, Erster Parlamentarischer Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion, nach dem Ende der Konferenz vor Journalisten. „Die Bildungs-Kleinstaaterei treibt Familien mit schulpflichtigen Kindern in die Verzweiflung.“

Stefan Schostok, Vorsitzender der niedersächsischen SPD-Landtagsfraktion, sagte: „Die Fraktionsvorsitzendenkonferenz hat verabredet, dass wir mit diesem Thema bundesweit in die Offensive gehen werden.“ Die SPD-Fraktionen in den Landtagen würden abgestimmte Anträge stellen. Zudem werde die Überwindung des Kooperationsverbots ein Schwerpunkt des SPD-Bundesparteitages im Dezember in Berlin sein.

Schostok: „Ziel ist es, Bildung als Gemeinschaftsaufgabe im Grundgesetz zu verankern. Die bildungspolitischen Herausforderungen sind nur von Bund und Ländern gemeinsam zu bewältigen. In Zukunft muss es wieder möglich sein, dass der Bund mit direkten Finanzhilfen die Länder unterstützt und sachgerechte Lösungen nicht länger verhindert werden.“ Einen entsprechenden Antrag („Für ein leistungsfähiges Bildungssystem - Kooperationsverbot zwischen Bund und Ländern aufheben!“, Drucksache 16-4042) habe die niedersächsische SPD-Fraktion bereits in die Beratungen des Landtages eingebracht.

Ein weiteres Thema der zweitägigen Konferenz war die aktuelle Krise im Euroraum. „Wir sind uns einig: Europa ist zu wichtig, um es an Griechenland scheitern zu lassen. Wir wollen die europäische Einigung weiter voranbringen und die Krise als Chance begreifen“, sagte Oppermann. „Dafür brauchen wir nicht nur eine klare Strategie, sondern auch Mut. Beides fehlt Angela Merkel.“ Die Fraktionsvorsitzendenkonferenz kritisierte die Politik der Bundesregierung als mut- und ideenlos. „Deutschland ist wieder nicht vorbereitet. Die nächste Bankenkrise droht, und nichts hat sich seit 2008 geändert. Der Bundesregierung fehlen die nötigen Instrumente, um einzugreifen“, kritisierte Schostok. Die Fraktionsvorsitzendenkonferenz forderte eine Beteiligung privater Gläubiger sowie eine Finanztransaktionssteuer. „Die Banken machen Gewinne, die Bürger tragen die Lasten der Krise. Das ist schlicht unanständig“, so Oppermann: „Die Finanzmärkte müssen an die Kette gelegt werden!“

Der Erste Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion äußerte sich zum Erscheinungsbild des niedersächsischen Ministerpräsidenten David McAllister in Berlin. „McAllister ist in der Bundeshauptstadt nicht erkennbar. Er ist schlicht kein Akteur und wird dementsprechend nicht wahrgenommen.“ Der Brief an Bundesumweltminister Norbert Röttgen zur Zukunft des Atommülllagers Gorleben werde als Schaufensterpolitik in Berlin wahrgenommen. SPD-Fraktionschef Schostok sagte: „McAllister hat mit seinem Brief an den ,lieben Norbert‘ Erwartungen geweckt. Nun muss er liefern. Es wird sich zeigen, welchen Einfluss der niedersächsische Ministerpräsident in Berlin wirklich hat.“ Niedersachsen als zweitgrößtes Bundesland und wichtiger Wirtschaftsstandort verdiene eine kraftvolle Vertretung seiner Interessen im Bund. „Diese Kraft hat McAllister bisher vermissen lassen. Niedersachsen verdient etwas Besseres.“

Entschließungs-Antrag der SPD-Fraktion: Für ein leistungsfähiges Bildungssystem - Kooperationsverbot zwischen Bund und Ländern aufheben!

Der Landtag wolle beschließen:

Entschließung

Der Landtag stellt fest:

Das im Jahr 2006 im Rahmen der Föderalismusreform I eingeführte sogenannte Kooperationsver-bot in Bildungsfragen hat sich nicht bewährt. Der Ausschluss der Zusammenarbeit von Bund und Ländern in der allgemeinen Bildung und der Vorbehalt der Gesetzgebungsbefugnis für Bundesfi-nanzhilfen verhindern eine sinnvolle Kooperation zwischen Bund und Ländern und erschweren sachgerechte und wirksame Lösungen. Vor allem Städte und Gemeinden als Träger der Jugendhil-fe, der Kindertagesstätten oder der Arbeit in sozialen Brennpunkten sind finanziell bereits heute überfordert. Das Gleiche gilt für die Länder beim Aufbau von Ganztagsschulen, Umsetzung von In-klusion sowie Ausbau ihrer Hochschulen und Sicherung der Qualität der Lehre. Es ist deshalb notwendig, dass die mit dem Kooperationsverbot errichteten Schranken für Bildungsinvestitionen des Bundes aufgehoben werden. Um Rechtssicherheit herzustellen, soll eine eigenständige Gemeinschaftsaufgabe Bildung in das Grundgesetz eingeführt werden.

Der Landtag fordert die Landesregierung auf, in den Bundesrat einen Gesetzentwurf zur Änderung des Grundgesetzes einzubringen, der beinhaltet, dass

1. Artikel 91 b Abs. 1 GG in Ziffer 2 wie folgt erweitert wird:
„Einrichtungen und Vorhaben der Wissenschaft und Forschung der Hochschulen“;

2. Artikel 91 b GG um einen Absatz 2 a erweitert wird:
„Bund und Länder können aufgrund von Vereinbarungen zur Förderung und Sicherstellung der Leistungsfähigkeit des Bildungswesens zusammenwirken“;

3. ein neuer Artikel 104 c eingeführt wird:
„Der Bund kann den Ländern Finanzhilfen für Bildungsausgaben gewähren. Dabei muss er al-le Länder gleich behandeln und ihre Bildungshoheit beachten. Die Finanzhilfen können unbe-fristet gewährt werden. Sie werden durch Vereinbarungen zwischen Bund und Ländern geregelt.“

Begründung

Die Bildungspolitik steht vor großen Herausforderungen: Die erfolgreiche Bewältigung des demo-grafischen Wandels und die veränderten Anforderungen einer wissensbasierten Ökonomie erfor-dern eine höhere Bildungsbeteiligung. Gerade Deutschland benötigt mehr und besser ausgebildete Fachkräfte. Doch noch immer verlassen mehr als 58 000 Schülerinnen und Schüler die Schule oh-ne Abschluss und mehr als ein Drittel der Jugendlichen mit Migrationshintergrund schließt keine Berufsausbildung ab. Im OECD-Vergleich ist Deutschland Schlusslicht bei Chancengleichheit, der Hochschulzugang ist sozial hoch selektiv. Es ist eine gesamtstaatliche Aufgabe, gleiche Bildungschancen für alle Kinder zu gewährleisten und die Bildungspotenziale von Kindern und Jugendlichen besser auszuschöpfen. Um den Herausforderungen gerecht werden zu können und eine Verbesserung der Bildungssituation zu erreichen, bedarf es einer ganzheitlichen Strategie, die alle politi-schen Ebenen und unterschiedlichen Akteure einbezieht.

Die Themenagenda der verschiedenen Bildungsgipfel von Bund und Ländern sowie die Verpflich-tung zur Schaffung eines europäischen Bildungsraumes machen deutlich, dass wichtige anstehen-de Aufgaben im Bildungswesen nur durch ein enges Zusammenwirken von Bund, Ländern und Kommunen bewältigt werden können. Die Kleinstaaterei im Bildungsföderalismus verhindert zu oft sachgerechte Lösungen: So durften im Rahmen des Ganztagsschulprogramms die Bundesmittel in Beton, aber nicht in pädagogisches Personal investiert werden. Schulwechsel von einem Bundesland in das andere gestalten sich angesichts über 20 unterschiedlicher Schulformen als schwierig. Unübersichtliche Vielfalt - aber nicht notwendigerweise Qualität - findet sich auch bei der Sprachförderung, für die in 14 Bundesländern 17 verschiedene Verfahren entwickelt wurden. Auch beim Übergang aus der Schule in den Beruf setzt jedes Bundesland auf sein eigenes Modell, ohne dass die hohen Abbrecherquoten gesenkt würden. Im Hochschulbereich sind zwar mit der Exzellenzinitiative und dem Hochschulpakt erfolgreiche gemeinsame Bund/Länder-Programme auf den Weg ge-bracht worden, ein dauerhaftes Engagement des Bundes zur Verbesserung der Lehre lassen die gegenwärtigen verfassungsrechtlichen Regelungen aber nicht zu.

Eher als Bremsklotz denn als Qualitätsgarant nimmt die große Bevölkerungsmehrheit den Bildungsföderalismus wahr. Bei einer jüngsten Umfrage des NDR sprachen sich über 80 % der Befragten für mehr Möglichkeiten der Zusammenarbeit von Bund und Ländern aus.

Stefan Schostok
Fraktionsvorsitzender