Mit großer Bestürzung hat der Landeselternrat Niedersachsen die Ankündigung der CDU-Fraktion im Niedersächsischen Landtag aufgenommen, die Umsetzung der Inklusion an Niedersachsens Schulen um ein weiteres Jahr hinauszuzögern. Der Landeselternrat Niedersachsen fordert ein abgestimmtes und unabhängig wissenschaftlich begleitetes Vorgehen zur Umsetzung der Inklusion unter Einbeziehung aller Beteiligten.Die notwendigen finanziellen,gesetzlichen und gesellschaftlichen Voraussetzungen sind zu schaffen

Zum geänderten Zeitplan hatte der stellvertretende CDU-Fraktionsvorsitzende Karl-Heinz Klare gestern in Hannover erklärt, die sorgfältige Gesetzesausgestaltung müsse bei der Inklusion oberste Priorität haben und das Wohl des Kindes und der beste Förderort müssten im Vordergrund stehen.

„Diese Aussagen können wir vollkommen unterstützen“, erklärt hierzu Pascal Zimmer, der Vorsitzende des Landeselternrates Niedersachsen. „Die von Herrn Klare gefahrene Argumentationsschiene aber ist an Dreistigkeit wohl kaum zu überbieten. Seit Jahren sind intensive Gespräche in allen an Bildung beteiligten Verbänden geführt worden Ein Gesetzesentwurf der Grünen zur Umsetzung der Inklusion an Schulen wurde bereits 2009 in den Landtag eingebracht, ein Entwurf der SPD im Jahre 2010. Seit Jahren wird im Kultusministerium an der Umsetzung der Inklusion gearbeitet, ein erster Gesetzesentwurf war für den Herbst 2010 angekündigt und seitdem immer wieder verschoben worden“, so Zimmer weiter. „Zuletzt fand am 27.09.2011 bei Kultusminister Dr. Bernd Althusmann ein Gespräch mit den Vorsitzenden der wichtigsten an Bildung beteiligten Verbände statt, mit Schulträgern, Lehrern, Eltern und Schülern. Hierbei bestand große Übereinstimmung darin, mit der Umsetzung der Inklusion an den Grundschulen unmittelbar zum nächsten Schuljahr zu beginnen und im Sekundarbereich I ein Jahr später. Große Einigkeit bestand auch bei den Eckpunkten bei der Umsetzung und bei den Grundvoraussetzungen:

Alle Beteiligten müssen mitgenommen werden, Inklusion ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe und Inklusion wird nicht zum Null-Tarif zu haben sein.

Wenn die CDU-Fraktion jetzt zu der Auffassung gelangt ist, es bestünde Gesprächsbedarf, dann muss man feststellen, dass die Fraktion das Thema offensichtlich verschlafen hat, und dass die Kommunikation zwischen Kultusminister, Arbeitskreis Kultus der CDU und ihren Fraktionen ungenügend war. Sechs setzen – würde es in Schule heißen!“, so Zimmer abschließend.

Den mit überwältigender Mehrheit (ohne Gegenstimmen bei einer Enthaltung) am 07.10.2011 gefassten Beschluss des Landeselternrates Niedersachsen finden Sie bitte nachstehend.

Beschluss: Der Landeselternrat Niedersachsen fordert das Parlament und die Landesregierung auf, umgehend die gesetzlichen Voraussetzungen zur schulischen Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention zu schaffen.

UN-Behindertenrechtskonvention Art. 24:

Menschen mit Behinderungen müssen ihre Persönlichkeit, ihre Begabungen und ihre Kreativität sowie ihre geistigen und körperlichen Fähigkeiten voll zur Entfaltung bringen können.

Ihnen ist gleichberechtigt mit anderen in der Gemeinschaft, in der sie leben, Zugang zu einem integrativen („inklusiven“), hochwertigen und unentgeltlichen Unterricht zu gewähren.

Der Landeselternrat Niedersachsen fordert in diesem Zusammenhang, alle Schulen in die Lage zu versetzen, auf die Bedürfnisse aller Schüler einzugehen. Notwendig dafür ist eine gezielte frühe Förderung von Kindern schon vor Schulbeginn, die Versorgung aller Schulen mit sonderpädagogischem Fachwissen auf dem aktuellen wissenschaftlichen Stand, eine angepasste personelle und räumliche Ausstattung der Schulen und der Aufbau eines effizient arbeitenden Informations- und Unterstützungssystems für Schüler, Lehrer und Eltern.

Mit Ausnahme des Förderbereichs Lernen, für den es zukünftig keine eigenen Schulen mehr geben soll, sollen in einer ersten Phase die Eltern darüber entscheiden können, ob ihre Kinder eine Regelschule oder eine Förderschule besuchen sollen. Inwieweit man später auch auf Förderschulen für andere Bereiche (z. B. Sprache) ganz wird verzichten können, muss dann die weitere Entwicklung zeigen.

Der Landeselternrat Niedersachsen fordert ein abgestimmtes und unabhängig wissenschaftlich begleitetes Vorgehen zur Umsetzung der Inklusion unter Einbeziehung aller Beteiligten. Die notwendigen finanziellen, gesetzlichen und gesellschaftlichen Voraussetzungen sind zu schaffen.