Nach der Auswertung von 46 Stellungnahmen und Eingaben von Verbänden und schulpolitischen Akteuren wurde der ursprüngliche Gesetzesentwurf in einigen Punkten weiterentwickelt. Die Pläne der Landesregierung hätten im Zuge der Verbandsanhörung in einigen Punkten Kritik, überwiegend aber Zustimmung erfahren, erläuterte die Ministerin. Es sei deutlich geworden, dass mit dem neuen Gesetz notwendige und teilweise lang gewünschte Änderungen zum Wohl der Schülerinnen und Schüler umgesetzt würden.

Rede des bildungspolitischen Sprechers Stefan Politze MdL zu TOP 6 Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Niedersächsischen Schulgesetzes während der Plenarsitzung vom 18.02.2015 im Niedersächsischen Landtag

Sehr geehrte Damen und Herren,

die Landesregierung hat heute eine zukunftsweisende Schulgesetznovelle in das Parlament eingebracht und dafür danken wir.

Bevor ich auf die Novelle eingehe, erlaube ich mir noch einen Hinweis, der immer wieder aus dem Blickfeld zu rutschen scheint:

Die SPD und auch die Grünen sind im Wahlkampf angetreten, um die Bildungspolitik in Niedersachsen zu verändern. Dafür sind wir gewählt und Sie abgewählt worden!

Folglich haben wir das in unsere Wahlprogramme geschrieben und es im Koalitionsvertrag verankert.

Unser Verständnis ist, dass der Bildungsgang eines Kindes nicht von seiner Herkunft abhängen darf, sondern von dem, was es leisten kann. Wir sortieren nicht aus, sondern wir begleiten und unterstützen. Wir wollen nicht verordnen, sondern ermöglichen.

Das ist das Leitbild für unser Verständnis von Bildungspolitik und damit ein völlig unterschiedlicher Ansatz zum Bildungsverständnis der Opposition!

Jetzt werden die guten Maßnahmen aus der Zukunftsoffensive Bildung mit unserem neuen Schulgesetz nachvollzogen. Dieses neue Schulgesetz wird ein Bildungschancengesetz! Und da lassen wir uns auch nicht von dem Geschrei der Opposition ablenken!

In dem Bildungschancengesetz sind viele Maßnahmen enthalten, ich will aber aufgrund der begrenzten Redezeit nur auf einige Kernmaßnahmen eingehen.

Wir werden die Rückkehr zum Abitur nach 13 Jahren gesetzlich verankern und damit die Vereinbarungen aus dem Dialogforum „Gymnasien gemeinsam stärken“ einlösen. Die Rückkehr zum Abitur nach 13 Jahren wurde von allen Teilnehmern gefordert, auch wenn sich Teile heute daran nicht mehr erinnern wollen.

Wir werden den Schülerinnen und Schülern mehr Zeit zum vertieften Lernen geben, in dem die Zeit gestreckt wird. In der Sekundarstufe I wird eine 30-Stunden-Woche wieder der Regelfall und nicht die Ausnahme sein, sodass die Schülerinnen und Schüler wieder mehr Zeit am Nachmittag zur Verfügung haben oder aber an guten Ganztagsangeboten teilnehmen können.

Die Anzahl der Klausuren bis zum Abitur wird verringert. Und das Verhältnis der Stunden von Leistungs- und Prüfungskursen wird ebenfalls entschlackt.

Das ist ein deutliches Entlastungspaket für Schülerinnen und Schüler, aber auch für die Lehrerinnen und Lehrer.

Und es ist sicher nicht die Aufweichung von Leistungsstandards auf dem Weg zum Abitur. Im Gegenteil: Mehr Zeit bedeutet mehr Qualität. Das vertiefte Lernen auf dem Weg zum Abitur steht im Vordergrund.

Ein zweiter wichtiger Punkt im neuen Bildungschancengesetz ist die Absicherung der IGS als ersetzende Schulform. Das ist kein Schritt, um die Gymnasien zu gefährden, sondern ein Schritt zu mehr Vielfalt im Schulsystem.

Die IGS arbeitet seit über 40 Jahren erfolgreich quasi als „Schulversuch“. Diese erfolgreiche Arbeit muss nun auch eine Absicherung erfahren. Und daher ist es folgerichtig dies auch im neuen Schulgesetz zu verankern.

Die Schulträger haben damit viel mehr Möglichkeiten, auf das regionale Anwahlverhalten der Eltern zu reagieren. Und die Schulträger sind froh über diese neue Regelung.

Das wird nicht zur Schließung von Gymnasien führen, sondern ein ausgewogenes Verhältnis ermöglichen, insbesondere aber dem Elternwillen Rechnung tragen.

Auch die Ermöglichung des Zusammenschlusses von Gesamtschulen mit Grundschulen ist ein weiterer wichtiger Baustein für die Schulträger, aber auch für die Eltern und Schüler. So bleibt den Schülern ein sonst üblicher Wechsel erspart und ein Bildungsgang kann ggf. von der 1. Klasse bis zum Abitur abgelegt werden.

Das ist auch kein Haushaltskonsolidierungsinstrument für finanzschwache Kommunen. Es werden sich nur Partner zusammenschließen, die dies für richtig halten und einen pädagogischen Sinn darin sehen.

Ein dritter Punkt ist der Wegfall der Schullaufbahnempfehlung und die Einführung von zwei Beratungsgesprächen. Das ist ein wichtiger Punkt, um Kinder nicht viel zu früh zu sortieren, sondern ihnen die Möglichkeit zur individuellen Entwicklung zu geben.

Ein möglichst langes Offenhalten des Bildungsweges ist wichtig, um allen Schülerinnen und Schülern Entwicklungsmöglichkeiten zu geben.

Das ist keine Aufweichung von Bildungsstandards, sondern das Ermöglichen von guten Bildungschancen. Im Übrigen bleibt der Elternwille unangetastet. Eltern sind wichtige Experten bei der Wahl des Bildungsganges.

Das zwangsweise Abschulen von Kindern muss der Vergangenheit angehören. Wichtig ist, dass ein Austausch zwischen Schule und Eltern über den Bildungsstand der Kinder stattfindet. Ein Fördern jeder Schülerin und jedes Schülers muss im Vordergrund stehen.

Beim Thema Inklusion geben wir mehr Zeit zum Entwickeln der Inklusion als Gelingensmodell. Die Landesregierung hat sich bewusst für ein Anhörungsverfahren im Vorfeld der Einbringung des Gesetzes entschieden.

Das war eine gute Entscheidung und zeigt, dass wir einen anderen Politikstil pflegen. Und eine richtige Schlussfolgerung ist es, auf die Anregungen aus der Anhörung auch zu reagieren und sie nicht zu ignorieren.

Dem ist die Kultusministerin gefolgt, indem sie mehr Zeit für die Entwicklung der Inklusion gibt.

Die Förderschulen Lernen sind mit der schrittweisen Auflösung beginnend mit dem Jahrgang 1 im Schuljahr 2013/2014 auf dem richtigen und auf einem guten Weg. Dieser gute Weg muss nun mit guten Instrumenten begleitet werden.

Die Förderschulen Sprache brauchen deutlich mehr Zeit, wie die Anhörung aufgezeigt hat. Dafür war unser „Hildesheimer Weg“ offensichtlich noch nicht ausreichend genug. Aus diesem Grund hat sich die Landesregierung entschieden einen Bestandsschutz zu gewähren. Es werden keine neuen Förderschulen Sprache mehr gegründet, aber die alten bleiben erhalten, solange sie angewählt werden.

Wir sind sicher, dass sich auch diese Förderschulen im Rahmen der gelingenden Inklusion in den Regelschulen weiterentwickeln werden. Dafür sollen sie die notwendige Zeit haben, auch um regional angepasste Lösungen und Konzepte zu entwickeln.

Die Förderzentren werden ebenfalls derzeit nicht aufgelöst, sondern können ihre fundierte Arbeit fortsetzen. Daneben werden die Regionalstellen für schulische Inklusion entwickelt. Daraus wird sich ebenfalls ein Entwicklungsprozess für die gute inklusive Schule ergeben. Aber auch das braucht Zeit für eine gute Entwicklung, die mit dem neuen Gesetz gegeben wird.

Wir als Regierungsfraktionen werden einen Stufenplan entwickeln, der die Inklusion begleiten soll. Dieser Stufenplan soll mit den in der Inklusion tätigen Akteuren – Verbänden und Institutionen, aber auch Lehrkräften – entwickelt werden. Nur so kann Inklusion gelingen.

All diese Punkte finden im Übrigen ein deutlich positives Echo:

Der Landeselternrat begrüßt ausdrücklich, dass der Thematik Ganztagsschule durch die Landesregierung eine hohe Priorität für alle Schulformen eingeräumt wird und diese auch im Schulgesetz zur Geltung kommt.

Der Entfall der mit der Schullaufbahnempfehlung verknüpften Regelung zur sogenannten Abschulung – in § 59 (4), “kann“ statt „soll“ – greift ebenso eine frühere Forderung des Landeselternrates auf.

Der Landeselternrat erkennt außerdem an, dass nach langer Zeit endlich wieder eine ordnungsgemäße Verbandsanhörung mit einer Schulgesetznovelle durchgeführt wird!

„Der SLVN begrüßt ausdrücklich die auf der Basis der Beratungen des Dialogforums „Gymnasien gemeinsam stärken“ ausgearbeitete Rückkehr zu einem Abitur nach 13 Jahren an Gymnasien und nach Schulzweigen gegliederten Kooperativen Gesamtschulen.

Genauso sieht es auch der Deutsche Lehrerverband und fordert im Übrigen, das Turbo-Abi bundesweit abzuschaffen!

Der DGB begrüßt des Weiteren, dass alle Schulformen beim Zugang zu den von ihnen

gewünschten Ganztagsmodellen (offener, teilgebundener oder gebundener Ganztag) gleichberechtigt sind.

Und was macht die Opposition derzeit? Sie säen Misstrauen und Panik, sie verbreiten bewusst Unwahrheiten. Auch hier ein paar Beispiele dafür:

Die CDU lässt durch pädagogische Mitarbeiter an der Grundschule Rühme „Propagandamaterial“ für eine CDU-Veranstaltung gegen das Schulgesetz an die Schüler verteilen.

Sie versuchen sich die Schule zur Beute zu machen!

Der Verband der Elternräte an Gymnasien bringt eine Onlinepetition auf den Weg gegen das Schulgesetz. Darin enthalten ist die unwahre Behauptung, dass mit dem neuen Schulgesetz ausnahmslos alle Förderschulen aufgelöst würden.

Eine schlichte Unwahrheit. Unterzeichnet ist die Petition von dem CDU-Vorstand aus Hannover Dr. Hartwig Jeschke.

Sie schrecken bei Ihrem Kampf für ein selektives Schulsystem offenbar vor nichts zurück. Das ist unverantwortlich und politisch in höchstem Maße verkommen, meine sehr geehrten, Damen und Herren der CDU.

Das Säen von Misstrauen und Angst offenbart, dass Ihnen ein bildungspolitisches Gesamtkonzept vollständig fehlt, sonst würden Sie sich auf eine Fachdebatte einlassen.

Wie Opposition in verantwortungsbewusster Art und Weise handelt, haben wir Ihnen 2012 in der Schulgesetzberatung gezeigt.

Wir haben uns kritisch eingebracht und dafür eingesetzt, dass ein Kompromiss möglich wird zum Wohle der Schülerinnen und Schüler in Niedersachsen. Das ist verantwortungsvolles Handeln.

Da die Hoffnung bekanntlich zuletzt stirbt, kann ich Sie heute nur auffordern, wieder auf den Boden der Tatsachen zurück zu kommen und sich gerne auch kritisch in die Beratungen einzubringen.

Wir werden ungeachtet dessen ein gutes und auf die Zukunft ausgerichtetes Schulgesetz auf den Weg bringen!

Weitere Informationen

Ein suspensives Veto verliert seine Wirkung, wenn dasselbe oder ein neu gewähltes Parlament den ursprünglichen Beschluss, eventuell mit einer qualifizierten Mehrheit, wiederholt, oder verschiebt nur das Inkrafttreten des Gesetzes. Der Landeselternrat Niedersachsen hat ein solches suspensives Veto für genau definierte Entscheidungen der Landesregierung. Staatsoberhäupter haben in der Regel das Recht suspensive Voten einzulegen.