Vor gut 5 Jahren: im Oktober 2008 riefen die Bundeskanzlerin und die Ministerpräsidenten der Länder dieBildungsrepublik Deutschland aus. Es sei das zentrale Versprechen unserer Gesellschaft, jeden Menschen zu integrieren. Eine gute Bildung für alle Menschen sei hierfür eine Grundvoraussetzung, sagte Angela Merkel.

Bund und Länder haben in Dresden konkrete, messbare Ziele vereinbart. Um diese Ziele zu erreichen, muss die Bundesregierung mehr investieren, muss das Koalitionsverbot fallen.,


Bund und Länder haben in Dresden konkrete, messbare Ziele vereinbart:Die hohen Quoten der jungen Menschen ohne Schul- und ohne Berufsabschluss sollten halbiert werden. Für 35 Prozent der Kinder, die jünger als drei Jahre sind, müsse ab dem 1. August 2013 ein Krippenplatz bereitstehen, um den Rechtsanspruch abzusichern. Mehr Menschen sollten sich weiterbilden oder ein Studium aufnehmen. Die Ausgaben für Bildung und Forschung sollten auf zehn Prozent des Bruttoinlandprodukts steigen. Das waren anspruchsvolle Ziele. Die Messlatte liegt hoch.

Als Deutscher Gewerkschaftsbund (DGB) haben wir stets betont, dass wir Bund und Länder am Erreichen ihrer eigenen Ziele messen wollen. Zum fünften Jahrestag des Dresdner Bildungsgipfels müssten signifikante Fortschritte messbar sein, wenn Bund und Länder ihre Ziele erreichen wollen. Wir haben deshalb den Essener Bildungsforscher Prof. Dr. Klaus Klemm zum vierten Mal gebeten eine Bilanz zu ziehen: Was ist aus den Dresdner Versprechen geworden?

Auf den ersten Blick gibt es durchaus positive Entwicklungen: Die Zahl der Krippenplätze ist gestiegen
und mehr Menschen beginnen ein Studium oder bilden sich weiter. Doch ein genauerer Blick auf die
Zahlen zeigt: Die soziale Schieflage bleibt die Achillesferse unseres Bildungssystems. Die Zahl der jungen
Menschen ohne Schul- und Berufsabschluss bleibt bedrückend hoch. Und auch bei der Weiterbildung und im Studium öffnet sich die Schere zwischen Gewinnern und Verlierern. Die vermeintliche "Bildungsrepublik Deutschland" bleibt ein sozial gespaltenes Land.

Genau an diesen Befunden muss eine künftige Bundesregierung ansetzen. Eine Große Koalition muss eine große Bildungsreform angehen. Fast sämtliche Bildungsstudien sagen uns, was zu tun ist: Wir müssen in die Qualität der frühkindlichen Bildung investieren - durch mehr und gut ausgebildete Erzieherinnen und Erzieher. Wir benötigen mehr gute Ganztagsschulen mit Schulpsychologen und Sozialarbeitern. Die Hochschulen brauchen eine verlässliche finanzielle Grundausstattung und die BAföG-Sätze müssen spürbar steigen. Wir müssen die zahllosen Warteschleifen im Übergang von der Schule in die Ausbildung abbauen und das Nachholen von Schul- und Berufsabschlüssen fördern.

Diese Maßnahmen gibt es nicht zum Nulltarif: Die Bundes-regierung muss mehr in unser Bildungswesen investieren, damit wir nicht mehr - auch das zeigt die Klemm-Expertise - bei den öffentlichen Bildungsinvestitionen weit hinter anderen OECD-Staaten zurückbleiben.

Und es ist eine gemeinsame Kraftanstrengung von Bund, Ländern und Kommunen nötig. Die Länder allein sind mit der Finanzierung eines zukunftsfähigen Bildungssystems heillos überfordert - auch wegen der Schuldenbremse. Deshalb zählt es zu den größten bildungspolitischen Fehlern des vergangenen Jahrzehnts, dass der Bund mit der Föderalismus-Reform 2006 aus der Finanzierung weiter Teile unseres Bildungswesens ausgegrenzt wurde. Dieses vorsintflutliche Kooperationsverbot muss aus der Verfassung gestrichen werden - und zwar für das gesamte Bildungssystem. Eine solche Maßnahme gehört in das 100-Tage-Programm einer neuen Bundesregierung. Ansonsten drohen unserem Bildungswesen vier verlorene Jahre.

Elke Hannack
Stellvertretende Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes

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