Annäherung im Streit um Klassenfahrten? Ein Kommentar.
"Rund drei Viertel aller Schulen mit Gymnasialangebot in Niedersachsen haben Fahrten gestrichen" schreibt der NDR. Gesamtschulen mit Gymnasialangebot sind wohl kaum dabei. Gymnasiallehrkräfte an Gymnasien sollen eine Stunde mehr Unterricht geben, statt 23,5 24,5 Stunden. Gymnasiallehrkräfte an Gesamtschulen geben seit 40 Jahren 24,5 Stunden - und für sie ist es selbstverständlich, Jahr für Jahr auf Klassenfahrt zu fahren.
Beim Widerstand gegen die Gleichbehandlung mit den Gymnasiallehrkräften an Gesamtschulen scheuen viele Gymnasiallehrkräfte an Gymnasien nicht davor zurück, zulasten ihrer Schülerinnen und Schüler die Klassenfahrten zu streichen.
Diese Auseinandersetzung macht auf gleich zwei Versäumnisse aufmerksam, die seit Jahrzehnte von der Politik übersehen werden.
Zum einen auf die sehr unterschiedliche Belastung von Lehrkräften durch eine Vielzahl von Aufgaben, die mit dem konkreten Unterricht in einem Klassenraum nur mittelbar zu tun haben. Zum Beispiel die Korrektur von Klausuren in einigen Fächern. Zum Beispiel die Vernatwortung und die Vielzahl von Aufgaben im Rahmen der Tätigkeit eines Klassenlehrers oder einer Klassenlehrerin. Eigentlich ist schon lange nicht mehr zu rechtfertigen, dass Hauptschullehrkräfte an Hauptschulen generell sehr mehr Unterrichtsstundenverpflichtung haben als Gymnasiallehrkräfte an Gymnasien. Denn eigentlich kommt es auf den konkreten Fall an.
Zum anderen macht dieser Konflikt deutlich, dass es keine Regelung für Klassenfahrten gibt, die den Kosten und der Arbeitsbelastung, die die Lehrkräfte auf sich nehmen, gerecht wird.
Bei beiden Problembereichen hätte ich gerne konkrete Vorschläge der Gewerkschaften, die die Arbeitnehmerrechte der Lehrkräfte vertreten. Ich werde im Internet darach suchen und in den nächsten Wochen hier Links einbauen.
Bei einem dritten Problembereich, dass die Erhaltung der Gesundheit und der Arbeitskraft von älteren Lehrkräften wichtig ist und dass es in diesem Sinne richtig wäre, Lehrkräften, die älter als 55 Jahre sind, um eine Stunde Unterrichtsverpflichtung zu entlasten, zeigt sich bei der niedersächsischen Landesregierung keinerlei Bewegung. Dabei wäre es angemessen, das vor der Wahl verkündete Versprechen an alle Lehrkräfte auch einzuhalten.
Am kommenden Freitag will die Kultusministerin den Lehrerverbänden Vorschläge machen. Auch Eltern- und Schülervertreter sollen bei dem Gespräch über einen neuen Erlass für Klassenfahrten dabei sein. Zu der Frage, wie die Vorschläge konkret aussehen, äußert sich das Ministerium bislang nicht. Es könnte dabei aber zum Beispiel um die Kosten gehen. Die niedersächsischen Grünen fordern, dass Lehrer alle Kosten, die bei Klassenfahrten entstehen, erstattet bekommen. Die Fahrten dürften kein privates Zuschussgeschäft sein, so die Grünen.
Ich halte es für eine Illusion, zu glauben, dass eine Regelung über die Klassenfahrten dazu führen wird, dass viele Gymnasiallehrkräfte an den Gymnasien darauf verzichten, weiterhin gegen eine Gleichbehandlung mit den Gymnasiallehrkräften an Gesamtschulen zu kämpfen.
Denn schließlich kämpften diese Lehrkräfte nicht für eine Verbesserung bei den Klassenfahrten oder für mehr Gerechtigkeit bei der Belastung mit Unterrichtsstunden für alle Lehrkräfte sondern gegen eine Erhöhung ihrer ganz persönlichen Unterrichtsverpflichtung.
Aber natürlich lasse ich mich gerne positiv überraschen. Denn nichts ist unmöglich.
Hans-Dieter Keil-Süllow, 11.04.2015