Der Wahlkampf in Nordrhein-Westfalen war geprägt durch die Auseinandersetzung um die Veränderung in den Schulen. Länger gemeinsam lernen oder Beibehaltung des gegliedertes Schulsystems ? war ein entscheidender Unterschied zwischen SPD, Grünen und Linken auf einer Seite, CDU und FDP auf der anderen. Die für Schulen zuständige Ministerin Sommer der CDU erhielt in einem Wahlkreis in Bielefeld erdrückend wenig Stimmen mit ihrer radikalen Ablehnung von Gesamtschulen.

"Mit Händen zu greifen ist die Bereitschaft, sich unter dem Druck des Verfalls der Hauptschule auf etwas Neues einzulassen und die überkommenen Schulstrukturen grundlegend zu verändern" betont Dr. Ernst Rösner im ZDF. "Heutzutage haben wir Übergangsquoten von der Grundschule zur Hauptschule von nur noch rund 15 Prozent. Aufgrund der demografischen Entwicklung steuert die Hauptschule geradewegs in einen Verelendungsprozess hinein."

Dr. Ernst Rösner zählt folgende Argumente auf:

"Auf Dauer kann keine Schulform ohne gymnasiale Standards mehr überleben. Gemeinschaftsschulen hingegen ermöglichen es, alle Abschlüsse, einschließlich des Abiturs, wohnortnah anzubieten.

"Die Bürger akzeptieren es nicht, Kinder im Alter von neuen Jahren auf die unterschiedlichen Bildungsgänge zu verteilen. Die meisten Eltern wollen für ihr Kind einen besseren Schulabschluss als sie ihn selbst hatten, vor allem Eltern mit mittleren Schulabschlüssen. Denn um den sozio-ökonomischen Status der Eltern auch nur zu halten, benötigen die Kinder heutzutage immer höhere Schulabschlüsse."

"Durch die Kooperation mit verschiedenen Schularten ermöglicht es die Gemeinschaftsschule, flexible Schulstrukturen zu entwickeln."

Dr. Rösner verweist auf Befragungen bei den Lehrkräften:

"Ein Viertel der Lehrer sprach sich im Jahr 1998 dafür aus, die Kinder lieber länger gemeinsam zu unterrichten. 2004 favorisierte bereits die Hälfte der Lehrer ein längeres, gemeinsames Lernen.

Entscheidend sei jedoch die Schulwahl der Eltern:

"Bundesweit steigt die Nachfrage nach einem durchlässigen, zeitgemäßen und modernen Schulsystem, das allen Schülern bessere Chancen bietet und Antworten auf die demografische Entwicklung gibt. Durch die Kooperation mit verschiedenen Schularten ermöglicht es die Gemeinschaftsschule, flexible Schulstrukturen zu entwickeln, die geeignet sind, unterschiedlichen regionalen Bedingungen gerecht zu werden. Dabei werden die Schüler frühestens ab der siebten Jahrgangsstufe getrennt."

Rösner prophezeit im ZDF:

"Ich bin überzeugt: Die Gemeinschaftsschule wird sich zu einer schulischen Massenbewegung ausweiten. Ich davon aus, dass es in wenigen Jahren in Schleswig-Holstein genauso viele Gemeinschaftsschulen geben wird wie Gymnasien."

Das Problem, warum die Schulform Gymnasium notwendig und sinnvoll ist, wenn in den Schulen konsequent die einzelnen Schülerinnen und Schüler in den Mittelpunkt gestellt werden und die Ressourcen für eine individuelle Förderung bereitgestellt werden, spricht Dr. Rösner, Erziehungswissenschaftler am Institut für Schulentwicklungsforschung in Dörtmund, allerdings nicht an.

Hans-Dieter Keil-Süllow