Kein „Hire and fire“ – Ganztagsschulen brauchen klare Regeln und sichere Verträge
Lassen Sie mich zu Beginn meiner Ausführungen kurz aus einigen Schlagzeilen der letzten Wochen zitieren, die sich mit dem Thema der Probleme an den sogenannten Ganztagsschulen beschäftigen:
o Fallen Ganztagsangebote ab 1. Februar 2011 aus?
o Schwarz-Gelbes Ganztags-Billigmodell ohne Perspektive
o Ganztagschule auf der Kippe
o Honorarkraft klagt sich in Schule ein
o Vertragswirrwarr an Schulen soll enden
Die Problematik ist bekannt:
Ganztagsschulen leiden momentan darunter, dass sie in kürzester Zeit alle Verträge überprüfen müssen, aber nicht ausreichend Unterstützung dafür bekommen.
Sie leiden darunter, dass sie alle zwei Jahre neues Personal wegen des Abschlusses befristeter Arbeitsverträge einstellen müssen, dieses Per-sonal aber zum einen wegen der schlechten Vertragsbedingungen nicht finden können und zum anderen den Kindern immer neue Vertrauensverhältnisse zumuten müssen.
Sie leiden darunter, dass möglicherweise Nachzahlungen für Sozialversicherungen zu leisten sind, ohne dass Sie überblicken können, was das für ihr Budget bedeutet.
Und sie leiden darunter, dass sie gern ein gutes Ganztagsangebot für ihre Schulen entwickeln möchten, aber überhaupt nicht genug Geld dafür haben, das auch vernünftig zu bezahlen.
Das Kultusministerium hat nach mehrmaligem Hin und Her Hinweise zur Vertragsgestaltung für den Einsatz von außerschulischen Kräften für die ganztagsspezifischen Angebote an die Schulleitungen geschickt.
In vielen Gesprächen mit Schulleitungen ist mir mitgeteilt worden, dass sie pflichtschuldig ihre Honorar- und Arbeitsverträge an die Landesschulbehörde eingereicht haben, aber bis heute keine Antwort erhielten.
Das ist auch kein Wunder, denn mir wird auch berichtet, dass es wohl nur insgesamt vier Beschäftigte sein sollen, die diese Vielzahl von Verträgen prüfen sollen.
Viele Schulleiterinnen und Schuleiter wissen heute nicht, wie sie die Ganztagsangebote an ihren Schulen im nächsten Halbjahr - also in genau 12 Tagen – gestalten können, weil sie sich nicht mehr sicher sind, ob die bisherige Praxis so auch in Ordnung ist.
Es wird wohl so kommen, dass ab Februar etliche Ganztagsangebote für eine Weile ausfallen müssen.
Mittlerweile rät die GEW den Schulleitungen, sich für alle Verträge mit Ganztagskräften die rechtliche Unbedenklichkeit von der Schulbehörde bestätigen zu lassen, damit Haftung, Regress und Anzeigen wegen So-zialversicherungsbetrugs auf die Behörde übergehen.
Und dieser Rat kommt nicht von ungefähr.
Hintergrund sind Ermittlungen der Sozialversicherungsträger, die fest-gestellt haben, dass Schulen freie Dienstleistungsverträge (Honorarver-träge) abgeschlossen haben, bei denen es sich faktisch aber um Arbeitsverhältnisse handelt. Sozialversicherungsbeiträge müssen daher in nicht unerheblichem Umfang rückwirkend nachbezahlt werden.
Es ist von 5.000 bis 7.000 Honorarverträgen die Rede, die überprüft werden müssen.
Meine Damen und Herren, wir sagen aber eindeutig:
Die Verantwortung für diese Vertragsabschlüsse trägt die politische Spitze des Ministeriums, die Verantwortung tragen nicht die Schulleitungen, die mit den hochkomplexen Vertragsabschlüssen allein gelassen wurden.
Die Ganztagsschule light, die die Schulträger zwingt, zu unterzeichnen, dass sie eine Ganztagsschule einrichten aber die Kosten selbst übernehmen müssen, ist zur Brutstätte für prekäre Beschäftigungsverhält-nisse geworden.
Uns ist klar, dass wir das Problem nicht nur mit zusätzlichen Lehrerstellen lösen können.
Und es ist auch richtig, verschiedene Professionen an die Schulen zu holen und damit auch eine größere Vielfalt für die Gestaltung von Schule und auch damit für das Leben an den Schulen zu ermöglichen.
Nur müssen diese Menschen, die Vertrauen zu den Kindern aufbauen sollen, nicht in prekäre Beschäftigungsverhältnisse hineingedrückt werden, von denen keiner leben kann.
Es ist doch nicht zu tolerieren, dass jemand, der die EDV an der Schule managt und mit Schülern Internet AGs am Nachmittag macht als Honorarkraft abgespeist wird und auch noch mit Arbeitslosengeld II sein Einkommen aufbessern muss.
Meine Damen und Herren, wir heben so oft hervor, dass es uns um gute Arbeit geht, um ordentliche Arbeitsverträge und vernünftige Entlohnung.
Diese Landesregierung und mit ihr die CDU und die FDP haben mit ihrer Low-Budget-Politik in der Bildung dafür gesorgt, dass es erst zu diesen für alle Beteiligten prekären Verhältnissen kommt.
Und nun müssen auch noch Schulen und Schülerinnen und Schüler darunter leiden.
Wir fordern dagegen für gute Schulen in Niedersachsen zumindest die Verbesserung in Hinblick auf einen teilgebundenen Ganztag, der allen Schulen zusteht, in deren pädagogischem Konzept ein rhythmisierter Schultag mit integrierten Förder- und Differenzierungskonzepten verankert ist.
Frauke Heiligenstadt