„Acht Jahre schwarz-gelber Bildungskuddelmuddel, zwei Kultusminister, eine Kultusministerin und vier Staatssekretäre haben nichts gebracht“
"Angesichts der gestrigen Pisa-Ergebnisse ist doch klar: Die zentrale Herausforderung ist und bleibt, dass wir jedem Kind, egal woher es kommt, wohin es zur Schule geht und aus welchem Land seine Eltern kommen, die gleichen Bildungschancen geben müssen. PISA hat gestern zum ersten Mal deutlich gemacht: Die frühe Aufteilung nach der vierten Klasse ist schädlich für die Chancengleichheit. Ebenso haben die Wissenschaftler festgestellt, dass längeres gemeinsames Lernen die Lernergebnisse verbessert.
Rede der stellvertretenden Vorsitzenden und schulpolitischen Sprecherin der SPD-Landtagsfraktion Frauke Heiligenstadt
zur Aktuellen Stunde
„Acht Jahre schwarz-gelber Bildungskuddelmuddel, zwei Kultusminister, eine Kultusministerin und vier Staatssekretäre haben nichts gebracht“
während der Plenarsitzung vom 08.12.2010 im Niedersächsischen Landtag
Es gilt das gesprochene Wort
• Zementierung des gegliederten Schulwesens
• Gesamtschulerrichtungsverbot
• Hürden für Gesamtschulneugründungen
• Einführung des Turboabiturs an den Gesamtschulen
• Abschaffung der Vollen Halbtagsschule
• Arbeitszeitkonten der Lehrkräfte
• Unzureichende Unterrichtsversorgung
• Steigende Nachhilfeausgaben für Eltern
• Einschränkung des Elternwillens
• Hintere Ränge beim Krippenausbau
• Niedrigste Betreuungsquoten der unter Dreijährigen,
• Hintere Ränge bei der Integration von Schülern mit Migrationshintergrund
• Schlusslicht bei der Inklusion
• Abbau der Schulpsychologen
• Prekäre Beschäftigungsverhältnisse in den Schulen von Kettenarbeitsverträgen bis hin zu nicht abgeführten Sozialversicherungsbeiträgen
• Niedrigste Erfolgsquote an den Gymnasien
• Einführung des G8 ohne Konzept
• Riesengefälle bei der Abiturquote in Niedersachsen
• Höchste Klassenfrequenzen an den Gymnasien und Gesamtschulen
• Fachlehrermangel in der beruflichen Bildung und in zahlreichen allgemein bildenden Fächern
• Schulleitungsakademie Fehlanzeige
• Arbeitszeitverordnung für Schulleitungen – Fehlanzeige
• Ganztagsschulen light – in Wirklichkeit nur Halbtagsschulen mit Freizeitbetreuung am Nachmittag
Ich könnte noch mehr aufzählen meine Damen und Herren. All´ das haben Sie auf dem Rücken der Schülerinnen und Schüler und der Familien ausgetragen.
Meine Damen und Herren, das ist die Bilanz Ihrer seit acht Jahren verfehlten Bildungspolitik.
Sie haben mehrere Minister und Staatssekretäre verschlissen. Und dann kam der angebliche Retter Dr. Althusmann. Er sollte es richten. Der Ministerpräsident sprach von einer unideologischen Diskussion, gar von Schulkonsens.
Was für ein Gewurschtel ist dabei herausgekommen?
• Das Festhalten an der Hürde für die Errichtung neuer Gesamtschulen.
• Das Einführen von zwei neuen Schulformen nämlich einer Oberschule mit und einer Oberschule ohne gymnasialen Zweig.
• Die Benachteiligung aller anderen Schulformen in Bezug auf die Ausstattungsbedingungen.
• Täglich neue Meldungen darüber, wie viele Schüler denn nun eine neue Oberschule mindestens haben muss.
Kuddelmuddel pur.
Anrede
Kommt dieses Modell bei denen, die in der Bildungspolitik die Adressaten sind, denn nun wirklich an?
Nicht die Eltern, nicht die kommunalen Spitzenverbände und auch nicht die bildungspolitischen Verbände heißen Ihren Bildungskuddelmuddel gut.
Angesichts der gestrigen Pisa-Ergebnisse ist doch klar: Die zentrale Herausforderung ist und bleibt, dass wir jedem Kind, egal woher es kommt, wohin es zur Schule geht und aus welchem Land seine Eltern kommen, die gleichen Bildungschancen geben müssen. PISA hat gestern zum ersten Mal deutlich gemacht: Die frühe Aufteilung nach der vierten Klasse ist schädlich für die Chancengleichheit. Ebenso haben die Wissenschaftler festgestellt, dass längeres gemeinsames Lernen die Lernergebnisse verbessert.
Was machen Sie mit solchen Ergebnissen?
Sie scheuen die bildungspolitische Debatte zu Ihrer Schulstrukturreform im Plenum. Das zeigt doch deutlich, dass Sie noch nicht einmal selbst von Ihrem eigenen Vorschlag überzeugt sind. Dazu peitschen Sie das Gesetz mit zusätzlichen Sitzungen durch die Ausschüsse.
Und warum das Ganze? Es geht Ihnen nicht um die Qualität in der Bildung, sondern um vordergründige Effekthascherei. Sonst würden Sie die PISA-Studie zum Anlass nehmen und innehalten. Stattdessen wollen Sie lieber möglichst viele Türschilder an den bestehenden Haupt- und Realschulen in Oberschule umschrauben, ohne damit auch nur eine einziges Problem vor Ort zu lösen. Wenn es Ihnen tatsächlich um Qualität ginge, dann würden Sie nicht so ein Verfahren durchziehen.
Sie fordern Kommunen auf, Anträge zu stellen für neue Oberschulen, ohne dass ein Gesetz vorhanden ist. Auf welcher Grundlage sollen denn neue Anträge gestellt werden?
Glauben Sie im Ernst, dass Eltern ihre Kinder an Schulen anmelden, die es noch gar nicht gibt, oder an Schulen anmelden, die es nach den Sommerferien nicht mehr geben wird? Glauben Sie allen Ernstes, dass es möglich ist, eine qualitätsvolle Schule zu planen, wenn Lehrerkollegien nur drei Monate Zeit für die pädagogische Konzeption einer neuen Schule haben werden?
Spätestens hier wird deutlich: Sie haben nicht die Interessen der Eltern und Schüler im Blick, sondern sind nur ideologischen und parteipolitischen Strategien verpflichtet. Wie anders ist Ihre Aussage, Herr Dr. Althusmann, zu verstehen, dass es bezüglich der Gesamtschulerrichtung „keinen politischen Entscheidungsspielraum“ mehr für sie gäbe? Sie geben sich noch nicht einmal die Mühe, die erfolgreich arbeitenden Gesamtschulen im Lande zu etablieren und damit auch dem Willen vieler Eltern in Niedersachsen nachzukommen.
Das zeigt doch deutlich: Auch Sie, Dr. Althusmann und Herr McAllister, sind mit Ihrem bildungspolitischen Ansatz gescheitert.
Sie wollen bundesweit ein einheitlicheres Schulsystem im Sekundarbereich I und schaffen stattdessen im eigenen Land gleich zwei zusätzliche Schulformen dafür.
Liebe Koalition, Sie können noch so viele Minister auswechseln wie Sie wollen, wenn Sie Ihre Politik nicht verbessern, dann werden Sie spätestens 2013 wegen ihrer Bildungspolitik gar keine Minister mehr stellen dürfen.