Der Landeselternrat lehnt das Gesetz zur Neuordnung der Schulstruktur in Niedersachsen ab
Der Landeselternrat lehnt den vorliegenden Gesetzentwurf der Fraktionen CDU/FDP „Gesetz zur Neuordnung der Schulstruktur in Niedersachsen“ ab.
Weitere Forderungen:
- Senkung der Mindestzügigkeit von Gesamtschulen auf vier, in Ausnahmefällen auf drei Züge.
- Lockerung der Verpflichtung für die Schulträger, neben der Gesamtschule sämtliche Schulformen vor Ort anbieten zu müssen.
- Abitur an den Gesamtschulen wahlw. nach 8 oder 9 Schuljahren
- Zeitnahe Umsetzung inklusiver Beschulung
Anhörung in der öffentlichen Sitzung durch den Kultusausschuss am 27./28.01.2011; Stellungnahme des Landeselternrates
Sehr geehrte Damen und Herren,
vor Übermittlung des Beschlusses des Plenums des 12. Landeselternrates Niedersachsen erfolgen die nachstehenden Vorbemerkungen:
Der Landeselternrat erkennt das Bemühen der Landesregierung, die Sorgen und Nöte der kommunalen Schulträger aufzunehmen und zu bearbeiten. Für die Elternschaft Niedersachsens ist auch in Zeiten zurückgehender Schülerzahlen und knapper öffentlicher Haushalte die wohnortnahe Beschulung ein hohes Gut. Der vorgelegte Entwurf einer Änderung des Schulgesetzes ist jedoch aus Sicht des Landeselternrates aus den im Folgenden genannten Gründen nicht zustimmungsfähig, zumindest aber in zahlreichen Punkten überarbeitungsbedürftig.
Bereits jetzt gibt es in Niedersachsen ausreichend geeignete Schulformen, die Schulqualität wird durch die Einführung einer Oberschule nicht entscheidend verbessert.
Die versprochenen Maßnahmen wie Schulsozialarbeiter / Sozialpädagogen und sofortige teilgebundene Ganztagsbeschulung könnten auch allen übrigen Schulformen zur Verfügung gestellt werden, um dort eine Qualitätsverbesserung zu erreichen. Die vorgesehenen Änderungen führen aus unserer Sicht zu einer Ungleichbehandlung von Schulformen und ihren Schülern und Schülerinnen.
Einbringung des Gesetzes durch die Regierungsfraktionen
Einerseits hat das Kultusministerium in Gesprächen und während der Verbandsgespräche im Kultusministerium federführend für die Ideen des Schulgesetzentwurfs geworben. Damit hat sich das Kultusministerium eindeutig zu dessen Urheberschaft bekannt. Die Einbringung des Gesetzes erfolgte aber andererseits durch die Regierungsfraktionen.
Eine Anhörung aller Verbände erfolgt nun zwar trotz dieser Vorgehensweise im Kultusausschuss, deren Stellung im Niedersächsischen Schulgesetz ist aber mit der des Landeselternrates nicht vergleichbar.
Der Landeselternrat (entsprechend der Landesschülerrat) hat nach § 169 Abs. 4 das Recht auf ein suspensives Veto in bestimmten Fällen, wenn nach erfolgter erster Ablehnung durch den Landeselternrat eine Einigung mit dem Kultusministerium nicht zustande kommt.
Wie unter anderem bereits beim Gesetzentwurf zur Umsetzung des Abiturs nach 8 Jahren an den Integrierten Gesamtschulen im Jahre 2009 werden durch diese Art der Gesetzeseinbringung die Mitwirkungsrechte des Landeselternrates ausgehebelt.
Der Landeselternrat betrachtet dies als Versuch, seine besonderen gesetzlichen Anhörungsrechte zu behindern und vor allem zu umgehen. Der Landeselternrat vertritt die Eltern von rund 900.000 Schülern und Schülerinnen und empfindet dies als ein undemokratisches Verhalten der Regierungsfraktionen. In Zeiten, in denen aktuell zu Recht über intensivere Bürgerbeteiligung diskutiert wird, verurteilen wir diese Vorgehensweise aufs Schärfste.
Das Plenum des 12. Landeselternrates Niedersachsen hat nach Erörterung und Beschlussfassung in der 16. Sitzung am 14.01.2011 folgenden Beschluss gefasst:
Der Landeselternrat lehnt den vorliegenden Gesetzentwurf der Fraktionen CDU/FDP "Gesetz zur Neuordnung der Schulstruktur in Niedersachsen“ ab.
Begründung:
Zu Nr. 2, § 10 a Oberschule
Grundsätzlich hat der Landeselternrat keine Einwände gegen ein vielfältiges Schulangebot. Die Einführung einer weiteren neuen Schulform „Oberschule“ erscheint aber völlig überflüssig, da die Beschreibung der „Oberschule“ im Gesetzentwurf im Wesentlichen der Beschreibung der jetzigen KGS, der erst kürzlich abgeschafften nach Schuljahrgängen gegliederten KGS und der kooperativen Haupt- und Realschule gleicht. So schafft die „Oberschule“ kein neues Bildungsangebot. Der LER lehnt deshalb die neue Schulform ab.
Festzuhalten bleibt, dass bisher weder weitergehende untergesetzliche Regelungen noch eine aktualisierte Verordnung für die Errichtung, Aufhebung und Organisation von öffentlichen Schulen vorliegen. In kürzester Frist soll eine neue Schulform geschaffen werden und bisherige Schulformen ersetzen, Schulträgern werden bereits jetzt, vor der Entscheidung und vor allem vor der Anhörung, Fristen und Antragsmöglichkeiten genannt. Damit wird diese Anhörung aus Sicht des Landeselternrates nicht ernst genommen.
Zu Nr. 3, § 12
Die Abschaffung der Kooperativen Gesamtschule, entweder nach Schulzweigen oder nach Schuljahrgängen gegliedert, lehnt der Landeselternrat ab. Sofern Eltern diese Schulform bevorzugen, sollten Schulträger sie weiterhin errichten dürfen.
Zu Nr. 10, § 61
a) Absatz (3) Nr. 3:
Der Gesetzentwurf wählt hier für eine Ordnungsmaßnahme folgende Formulierung: „Überweisung an eine andere Schule derselben Schulform oder eine Schule, an der die Schülerin oder der Schüler entsprechend ihrer oder seiner Leistungsfähigkeit beschult werden kann“.
Obwohl damit laut Begründung auf Seite 14 der Drucksache wohl lediglich gemeint ist, dass beispielsweise ein Realschüler entsprechend an eine Oberschule verwiesen werden kann, da er dort „entsprechend seiner Leistungsfähigkeit beschult“ wird, so hält der Landeselternrat die gewählte Formulierung für kritisch. Ohne nähere Erläuterung könnte dies unter Umständen als eine Zwangsabschulung interpretiert werden. Dies ist aus unserer Sicht zu vermeiden und konkreter zu fassen.
d) Im neuen Absatz 5 wird in Satz 2 gesagt:
„Die Verweisung von einer oder allen Schulen darf nur im Sekundarbereich II,…, angeordnet werden.“
Der Hinweis „von einer Schule“ impliziert hier aber, in der Sekundarstufe I kann ebenfalls nicht von einer Schule verwiesen werden. Dies stünde im Widerspruch zu Abs. 3 Nr. 5, der Landeselternrat vermutet, dass dies so nicht gewollt ist.
Zu Nr. 11, § 63 , Abs. 4
Schüler und Schülerinnen im Schulbezirk einer Oberschule müssen die Möglichkeit haben, statt der Oberschule eine Hauptschule oder eine Realschule desselben oder eines anderen Schulträgers zu besuchen.
Hinweis:
Nr. 14. und Nr. 15:
Hier muss es entweder „ ...(von) der Bildungsgangs- und Fachgruppe“ oder „ (von) den Bildungsgangs- oder Fachgruppen“ heißen.
Weitergehende Forderungen zur Schulgesetznovelle
Der Landeselternrat hält an den folgenden Forderungen fest:
- Senkung der Mindestzügigkeit von Gesamtschulen auf vier, in Ausnahmefällen auf drei Züge.
- Lockerung der Verpflichtung für die Schulträger, neben der Gesamtschule sämtliche Schulformen vor Ort anbieten zu müssen.
- Das Abitur an den Gesamtschulen kann wahlweise nach 8 oder 9 Schuljahren erworben werden.
- Inklusion: Schon seit einigen Jahren steht der Einstieg in die inklusive Beschulung auf der Tagesordnung. Die Umsetzung der UN-Beschlüsse ist eine der vordringlichen Aufgaben im Bildungsbereich. Eine Umsetzung war ursprünglich für das Schuljahr 2011/2012 geplant. Der vorliegende Gesetzentwurf geht in keiner Weise auf dieses Thema ein. Der Landeselternrat fordert das Kultusministerium deshalb nachdrücklich auf, sehr zeitnah einen Gesetzentwurf für die Umsetzung der inklusiven Beschulung zum Schuljahr 2012/13 vorzulegen und die entsprechenden Verbände zu beteiligen.
Mit freundlichen Grüßen
Landeselternrat Niedersachsen
J.-Pascal Zimmer
Vorsitzender