Der Schulausschuss der Landeshauptstadt Hannover sollte in seiner heutigen Sitzung die Verwaltung damit beauftragen bis zum 31.07.2011 ein Konzept zu erstellen, in dem dargelegt wird, wie eine inklusive Unterrichtsversorgung in der Landeshauptstadt realisiert werden kann. Die SPD befürwortet das geplante Vorgehen der Verwaltung, die CDU will erst noch beraten.

„Wir sind in Hannover im Bereich der inklusiven Beschulung auf einem guten Weg“ erklärt M. Klie,

schulpolitischer Sprecher der SPD-Ratsfraktion Hannover und macht die Brisanz des Themas deutlich: „Seit 2009 ist die UN-Konvention für Menschenrechte von Menschen mit Behinderungen in Deutschland gültiges nationales Recht. Der Weg zu einer inklusiven Schule, einer Schule für alle Kinder, wie sie in Art. 24 der UN-Konvention definiert ist, wurde von der Stadt geebnet, jetzt muss das Land mitziehen.“

Die aktuellen rechtlichen Rahmenbedingungen des Landes machen eine inklusive Beschulung fast unmöglich. So fehlen insbesondere Festlegungen zu den pädagogischen, räumlichen und sachlichen Anforderungen, sowie zu den Klassenfrequenzen bei inklusiver, wohnortnaher Beschulung. Hier hat das Land einen großen Nachholbedarf und muss geeignete Vorgaben machen.

Die SPD-Ratsfraktion Hannover hatte bereits im Februar eine Veranstaltung unter dem Motto „Auf dem Weg zur inklusiven Schule“ organisiert und mit ca. 220 Eltern, Lehrerinnen und Lehrern, sowie Verbänden den Weg zur inklusiven Schule diskutiert. „An dem Abend wurde deutlich, dass großer Handlungsbedarf besteht und dass wir gleichzeitig sehr sorgfältig betrachten müssen, was die Bedürfnisse des einzelnen Kindes sind. In Anbetracht dessen bin ich froh, dass die Verwaltung mit allen Betroffenen gemeinsam ein Konzept entwickeln wird, durch das wir in Hannover inklusive Schulen einführen können, die jedes Kind in einem für ihn angemessenem Maß fördert und fordert“, so Michael Klie.

Besonders erfreut zeigt sich Klie, dass es ein gemeinsames und abgestimmtes Vorgehen von Landeshauptstadt und Region geben wird. „Wir brauchen beide Schulträger für eine Umsetzung“, so Michael Klie. „Die Anhörung der Regionsfraktion am 16. April hat unterstrichen, wie hoch einerseits die Nachfragen, andererseits aber auch die Vorbereitungen sind. Wir wollen gutes Bewahren und Neues initiieren.“
In dieser Beurteilung sind sich Michael Klie und Ulrike Thiele, schulpolitische Sprecherin der SPD-Regionsfraktion einig.

Drucksache Nr. 0856/2010 Beschulung von Kindern mit sonderpädagogischem Förderbedarf - Entwicklung eines Konzeptes zur inklusiven Beschulung für den Standort Hannover


Stand des Verfahrens

Die Drucksache wurde am 28.04.2010 dem Schulausschuss der Landeshauptstadt Hannover vorgelegt - davor war sie fast wortgleich zur Beratung in den entsprechenden Fachausschuss der Region Hannover gekommen. Auf Wunsch der CDU wurde die Drucksache in die Fraktionen gezogen und wird im Schulauschuss am 26.05.2010 erneut beraten. Ist die Drucksache im Schulausschuss behandelt, geht sie zur Beschlussfassung in den Verwaltungsausschuss.

Nachrichtlich ist die Drucksache an die 13 Stadtbezirksräte geleitet worden.

Drucksache Nr. 0856/2010 Beschulung von Kindern mit sonderpädagogischem Förderbedarf

In der Beschlussdrucksache wiird die Verwaltung zu beauftragt, für das Gebiet der Stadt Hannover gemeinsam mit der Region Hannover ein Konzept zur inklusiven Beschulung zu entwickeln.

Begründung des Antrages

1. Einleitung

Der Bundesrat hat Ende 2008 die UN-Konvention über die Rechte Behinderter ratifiziert. Mit dieser Ratifizierung ist seit dem 1.1.2009 unter anderem ein Rechtsanspruch für behinderte Kinder entstanden, an regulären Schulen unterrichtet zu werden. Das Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen der Vereinten Nationen (Behindertenrechtskonvention) ist ein völkerrechtlicher Vertrag, der bereits bestehende Menschenrechte für die Lebenssituation behinderter Menschen konkretisiert. Die Vertragsstaaten der Konvention haben sich unter anderem verpflichtet, geeignete Maßnahmen zu treffen, um Menschen mit
Behinderungen einen angemessenen Lebensstandard und sozialen Schutz zu sichern.
Gemäß der UN-Behindertenrechtskonvention müssen auch Schüler und Studierende mit körperlichen oder geistigen Behinderungen an regulären Schulen und Hochschulen unterrichtet werden.

Der Begriff der „Inklusion“ ist nicht mit der „Integration“ gleichzusetzen. Die Integration unterscheidet zwischen Kindern mit und ohne "sonderpädagogischem Förderbedarf". Die Inklusion geht von der Besonderheit und den individuellen Bedürfnissen eines jeden Kindes aus. Während die integrative Pädagogik die Eingliederung der Kinder mit Behinderungen anstrebt, erhebt die inklusive Pädagogik den Anspruch, eine Antwort auf die komplette Vielfalt aller Kinder zu sein. Sie tritt ein für das Recht aller Schüler und Schülerinnen, unabhängig von ihren Fähigkeiten oder Beeinträchtigungen sowie von ihrer ethnischen, kulturellen oder sozialen Herkunft miteinander und voneinander in "einer Schule für alle" zu lernen. Kein Kind soll ausgesondert werden, weil es den Anforderungen der Schule nicht entsprechen kann. Im Gegensatz zur Integration will die Inklusion nicht die Kinder den Bedingungen der Schule anpassen, sondern die Rahmenbedingungen an den Bedürfnissen und Besonderheiten der Schülerinnen und Schüler ausrichten.

Aufgrund der veränderten Rechtslage sind die Schulträger gehalten, neue Ansätze zur gemeinsamen Beschulung von behinderten und nicht behinderten Kindern zu entwickeln und ein geeignetes Konzept zur Einführung von inklusiven Schulformen zu erarbeiten

2. Zur Ausgangslage – Daten und Fakten

a) Statistische Daten für die Stadt und die Region Hannover

Insgesamt werden im Schuljahr 2009/2010 124.158 Schülerinnen und Schüler unterrichtet. Davon besuchen 5.498 Schülerinnen und Schüler eine Förderschule. . . . . . .

b) Modelle integrativer Förderung in der Stadt Hannover

In der Landeshauptstadt Hannover werden seit Jahren zahlreiche integrative Projekte zur Beschulung von Schülerinnen und Schülern mit sonderpädagogischem Förderbedarf in Regelschulen durchgeführt.

Zu erwähnen ist das seit dem Schuljahr 1998/99 bestehende Regionale Integrationskonzept Hannover-Nordwest mit der Förderschule Paul-Dohrmann-Schule (Schwerpunkt Lernen) als Förderzentrum. Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf aus diesem Bereich werden nicht an Förderschulen überwiesen, sondern in den für sie zuständigen Grundschulen unterrichtet und gefördert. Dazu werden entsprechende Förderschulkräfte an die Grundschulen abgeordnet. Das Regionale Integrationskonzept Hannover-Nordwest beinhaltet auch die Zusammenarbeit mit der Albert-Liebmann-Schule (Schwerpunkt Sprache) und der Schule auf der Bult (Schwerpunkt Emotionale und soziale Entwicklung) der Region Hannover.

Einen anderen Schwerpunkt der integrativen Beschulung bilden die in den städtischen Schulen aufgenommenen Kooperationsklassen der Förderschulen der Region Hannover, so sind zurzeit Kooperationsklassen der FöS Wilhelm-Schade-Schule (Schwerpunkt geistige Entwicklung) an den Standorten der Grundschule Am Stöckener Bach, Grundschule Am Lindener Markt und Grundschule Egestorffschule eingerichtet. Weitere Kooperationen bestehen zwischen der Grundschule Mühlenweg und FöS Heinrich-Ernst-Stötzner-Schule (Schwerpunkt geistige Entwicklung) sowie zwischen der Grundschule Wettbergen und der FöS Selma-Lagerlöf-Schule (Schwerpunkt geistige Entwicklung).

Darüber hinaus sind an vielen Schulstandorten in der Stadt mittlerweile Integrationsklassen eingerichtet. Im Schuljahr 2009/10 werden an insgesamt 25 Grundschulen, 6 Haupt- und Realschulen, 2 Gymnasien sowie an 3 Integrierten Gesamtschulen Schülerinnen und Schülern mit sonderpädagogischem Förderbedarf integrativ (teilweise als Einzelförderung) beschult.

Zum Schuljahr 2010/11 haben sich in verschiedenen Schulen vielfältige Initiativen zur Durchführung weiterer integrativer und inklusiver Projekte gebildet. Folgende Anträge sind für das kommende Schuljahr an die Schulbehörde und den Schulträger gerichtet worden:

Zum Schuljahr 2010/11 haben sich in verschiedenen Schulen vielfältige Initiativen zur Durchführung weiterer integrativer und inklusiver Projekte gebildet. Folgende Anträge sind für das kommende Schuljahr an die Schulbehörde und den Schulträger gerichtet worden:

IGS Stöcken
Antrag: Modellversuch zur "Bildung einer Inklusiven Schule IGS Stöcken in Verbindung mit der FöS Paul-Dohrmann-Schule und der FöS Wilhelm-Schade-Schule"
Antrag: Einrichtung von Integrationsklassen im 5. und 6. Schuljahrgang
Antrag: Aufnahme einer Kooperationsklasse der FöS Wilhelm-Schade Schule (Schwerpunkt geistige Entwicklung)

IGS Linden
Antrag: Modellversuch "IGS Linden auf dem Weg zur inklusiven Schule"

IGS Badenstedt
Antrag: Einrichtung von Integrationsklassen im neuen 5. Jahrgang geplant

FöS Astrid-Lindgren-Schule (Schwerpunkt Lernen)
Antrag: Einführung eines Regionalen Integrationskonzeptes Hannover-Süd-West

GS Egestorffschule
Antrag: Modellversuch "Inklusive Schule"

GS Glockseeschule
Antrag: Einführung sonderpädagogische Grundversorgung an der GS Glockseeschule in Kooperation mit der FöS Christian-Andersen-Schule (Schwerpunkt Lernen)

Die Landeshauptstadt Hannover als Schulträger hat diese Anträge befürwortend an die Landeschulbehörde bzw. an das Nds. Kultusministerium weitergeleitet. Entsprechende Entscheidungen über die Anträge stehen zurzeit noch aus.


3. Rahmenbedingungen für eine inklusive Beschulung

Die für den Standort Hannover beschriebenen Organisationsformen integrativer Beschulung geben – neben der Beschulung in den Förderschulen - im Wesentlichen den gesetzlichen Rahmen wieder, den das Niedersächsische Schulgesetz und die begleitenden Erlasse und Verordnungen zur sonderpädagogischen Förderung derzeit bietet.
Um die gesetzlichen Rahmenbedingungen für die Einführung einer inklusiven Beschulung aller Schulformen zu schaffen, sind diese rechtlichen Vorgaben durch das Land zu erweitern und zu verändern.

Es sind insbesondere Festlegungen des Landes zu folgenden Hauptaspekten erforderlich:

· zu den pädagogischen Anforderungen und inhaltlichen Rahmenbedingungen für eine gemeinsame inklusive Beschulung,
· zu den räumlichen und sächlichen Anforderungen an Gebäude, Einrichtung und Ausstattung der Schulstandorte und zu deren Finanzierung,
· zu der Entwicklung der Schülerzahlen und Veränderung der Einzugsbereiche bei inklusiver, wohnortnaher Beschulung.

Im Näheren sind Aussagen zu treffen:

· zur Sicherstellung einer ausreichenden Versorgung der inklusiven Klassen mit entsprechenden Lehrkräften,
· zur Weiterbildung der Lehrkräfte im Hinblick auf die veränderte Unterrichtssituation,
· zur Ausstattung der inklusiven Schulen mit weiterem pädagogischem Personal (z.B. Sozialpädagoginnen/Sozialpädagogen),
· zur künftigen Erstellung, Anwendung und Weiterentwicklung der sonderpädagogischen Gutachten,
· zur Weiterentwicklung der Förderschulen zu Kompetenz-Zentren,
· zu den Standards für notwendige bauliche Veränderungen bei den Schulgebäuden,
· zu den Auswirkungen auf die Schulplanung allgemein, z.B. durch die Veränderung von Klassenfrequenzen.

Die Verwaltung geht davon aus, dass das Land bis zu den Sommerferien 2010 hierzu erste, richtungsweisende Aussagen treffen wird.

4. Entwicklung eines Konzeptes zur inklusiven Beschulung

Das Ziel der Inklusion, jedem Kind mit Hilfe eines individuellen Lehrplanes in einer heterogenen Gruppe das Lernen zu ermöglichen, kann nur dann erreicht werden, wenn die Bereitschaft aller Beteiligten (Schulträger, Lehrer, Eltern) erreicht werden kann, sich auf eine „Schule für alle“ emotional und pädagogisch einzulassen.

Die Verwaltungen von Stadt und Region Hannover wollen bis zum 31.07.2011 ein Konzept erstellen, in dem dargelegt wird, wie eine inklusive Unterrichtsversorgung im Gebiet der Landeshauptstadt Hannover realisiert werden kann.

Die Möglichkeit einer wissenschaftlichen Begleitung wird zurzeit geprüft. Die anfallenden Kosten werden sich die Region Hannover und die Landeshauptstadt Hannover teilen.

Die Konzepterstellung wird von einer Projektgruppe begleitet, die bestehen soll aus den beiden Schulträgern, in der

o zwei Landesvertreter (Kultusministerium, Landesschulbehörde),
o zwei bis drei Vertreter/-innen der Schulträger und
o zwei wissenschaftliche Begleiter

mitarbeiten werden. Diese Projektgruppe wird sich zu Teilergebnissen und Einzelfragen in einer· Arbeitsgruppe, mit den

o Sprecherinnen und Sprecher der allgemein bildenden Schulformen,
o Leiterinnen und Leiter der Förderschulen,
o Repräsentanten von Regions- und Stadtelternrat,
o Behindertenbeauftragten der Stadt Hannover / Region Hannover,

sowie

o Sprecher der Privatschulen über die Arbeitsgemeinschaft der Wohlfahrtsverbände und
o am Schulleben beteiligten Interessengruppen

austauschen. Damit ist gewährleistet, dass auf zwei operativen Ebenen eine Beteiligung aller mittelbar und unmittelbar betroffenen Berufs- und Personengruppen erfolgt. Dieses Verfahren erhöht die Akzeptanz für die spätere Umsetzung.

Das Konzept soll Handlungsoptionen für inklusive Schulangebote aufzeigen. Dabei sind unter Berücksichtigung der vorhandenen Schulstrukturen örtliche und zeitliche Präferenzen zu definieren, aus denen eine weitere Umsetzung abgeleitet werden kann.

Die konzeptionelle Aufgabenstellung wird so definiert, dass jenseits der Standortfragen eine möglichst weitgehende Anwendung des Konzeptes in allen Städten und Gemeinden der Region Hannover gewährleistet wird.

Eine Betrachtung und Abschätzung der investiven Erfordernisse ebenso wie der laufenden Sachausgaben und deren Finanzierung kann erst in einem nächsten Schritt auf der Grundlage gesetzlicher Veränderungen des Landes Niedersachsen sowie konkreter schulentwicklungsplanerischer Entscheidungen erfolgen.

(Siehe Link)

Auszug aus dem Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen

Artikel 1
Zweck

Zweck dieses Übereinkommens ist es, den vollen und gleichberechtigten Genuss aller Menschenrechte und Grundfreiheiten durch alle Menschen mit Behinderungen zu fördern, zu schützen und zu gewährleisten und die Achtung der ihnen innewohnenden Würde zu fördern.
Zu den Menschen mit Behinderungen zählen Menschen, die langfristige körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, welche sie in Wechselwirkung mit verschiedenen Barrieren an der vollen, wirksamen und gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft hindern können.

(Siehe Link)

Weitere Informationen