Silke Lesemann: Härtefallkommission verkommt unter neuer Vorsitzenden zum Feigenblatt
Die SPD-Landtagsfraktion ist voller Sorge, dass die niedersächsische Härtefallkommission ihre Unabhängigkeit verliert und zu einem reinen Werkzeug des Innenministers verkommt. „Unter ihrer noch neuen Vorsitzenden Martina Schaffer kommt die Härtefallkommission nicht aus den Negativschlagzeilen heraus“, sagte Silke Lesemann, integrationspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, am Mittwoch in Hannover.
Hintergrund ist der Fall zweier Roma-Frauen im Kreis Rotenburg, die sich wegen ihrer drohenden Abschiebung seit Monaten in Kirchenasyl befinden. Sie hatten die Härtefallkommission mehrmals gebeten, sich ihres Falles anzunehmen, zuletzt am 12. November 2010. Nach Unterlagen, die der SPD-Fraktion vorliegen, hat Vorsitzende Schaffer eine Befassung der Kommission mit der Begründung abgelehnt, die Kommission würde ansonsten ein gesetzwidriges Verhalten der beiden Frauen, gemeint ist das Kirchenasyl, gutheißen. Außerdem hätten sich die Frauen durch „Untertauchen“ der Abschiebung entzogen und der dafür gesetzte Termin sei verstrichen.
„Hier wird mit juristischen Spitzfindigkeiten versucht, um die Behandlung des Schicksals von Selvije Ernst (48) und Dulja Saiti (71) herumzukommen. Beide leben seit 20 Jahren in Deutschland. Das Handeln von Frau Schaffer ist umso bemerkenswerter, wenn man weiß, dass ein Gutachten des Gesetzgebungs- und Beratungsdienstes des Landtages vorliegt, wonach die Härtefallkommission sehr wohl eingreifen könne. Dass Frau Schaffer extra ein Gegengutachten des Innenministeriums dazu veranlasst hat, spricht Bände“, sagte Lesemann.
Eine Härtefallkommission habe die Aufgabe, Einzelschicksale nach menschlichen und moralischen Gesichtspunkten zu betrachten. Sie müsse frei von Weisungen des Ministeriums sein. Lesemann: „Frau Schaffer degradiert die Härtefallkommission jedoch zu einem Feigenblatt für den Innenminister.“
Die SPD-Landtagsabgeordnete erinnerte, dass erst am vergangenen Donnerstag anlässlich des Gedenktages der Befreiung des Vernichtungslagers Auschwitz bundesweit der Leiden der Sinti und Roma gedacht wurde. „Allen voran wies Bundestagspräsident Norbert Lammert darauf hin, dass Sinti und Roma in Europa und auch in Deutschland weiterhin diskriminiert würden“, zitierte Lesemann. Der Holocaust-Überlebende Zoni Weisz habe im Bundestag angeprangert, es sei menschenunwürdig, wie Sinti und Roma insbesondere in vielen ost- und südosteuropäischen Ländern behandelt würden. „Weisz appellierte, wir alle seien doch Europäer und müssten dieselben Rechte wie jeder andere Einwohner haben. Es dürfe nicht sein, dass ein Jahrhunderte hindurch diskriminiertes und verfolgtes Volk heute immer noch jeder ehrlichen Chance auf eine bessere Zukunft beraubt werde“, erinnerte Lesemann.